« Metropolregion Hamburg statt Warnowregion? | Main | Wassermanagement der Zukunft - nachhaltige Strategien »

Montag, April 23, 2012

Warnowschiffahrt - Irrweg für Wirtschaft und Bürger

Die Schweriner Zeitung meldet heute, am 23. April 2012, "Wieder Fahrgastschiffe auf der Warnow"

"Für die Fahrgastschifffahrt auf der Warnow kann es rund 30 Jahre nach deren Aus noch in diesem Sommer einen Neustart geben. Darauf verständigten sich am Wochenende Vertreter zuständiger Stellen bei einer Testfahrt auf dem Fluss. Um die Qualität des Oberflächenwassers nicht zu gefährden, war in den 1970er Jahren erst die Fracht- und wenig später auch die Fahrgastschifffahrt eingestellt worden.

Die Warnow gilt als eine der romantischsten Wasserstraßen in Nordostdeutschland und dient zugleich als Trinkwasserreservoir für Rostock und umliegende Gemeinden. Ermöglicht werden soll der Neustart durch den Einsatz eines Kutters mit Elektromotor. Der Betreiber plant den Einsatz des Schiffes zwischen Bützow und Rostock.

Für die etwa 35 Kilometer lange Strecke werden etwa fünf Stunden benötigt. Fahrgäste könnten vor allem Touristen sein. Aber auch Einheimische hatten zuletzt immer wieder einen Neustart angeregt.

Bislang hatte vor allem der Warnow-Wasser- und Abwasserverband, der mit dem Unternehmen Eurawasser für die Trinkwasserqualität aus der Warnow verantwortlich zeichnet, Bedenken angeführt. Doch sowohl Eurawassergeschäftsführerin Gesine Strohmeyer als auch Verbandschefin Katja Gödke gaben jetzt grünes Licht für einen Neustart.

Zuvor hatten sich bereits der Leiter des Staatlichen Amtes für Landwirtschaft und Umwelt, Hans-Joachim Meier, als auch BUND- Landessprecher Burkhard Roloff für eine Wiederaufnahme des Schiffsverkehrs mit umweltfreundlicher Antriebstechnik ausgesprochen. Verkehrsminister Volker Schlotmann (SPD) sicherte den Beteiligten Unterstützung zu, um eine Konzeption für die Warnow-Schifffahrt zu erstellen."

"Ermöglicht werden soll der Neustart durch den Einsatz eines Kutters mit Elektromotor." Aber nicht der Antrieb ist das Hauptproblem, sondern die Phosphatfreisetzung aus dem Bodensediment! Jede Bewegung eines größeren Schiffskörpers erzeugt Stauwellen vor dem Schiff und nachfolgende Wirbelschleppen - selbst wenn es gar keinen eigenen Antrieb hätte, sondern getreidelt würde! Dadurch wird Sediment aufgewirbelt. Der Kontakt mit dem freien Wasser und dem darin enthaltenen Sauerstoff mobilisiert die im sauerstofffreien Sediment unlöslich gebundenen Phosphatverbindungen, sie stehen damit wieder als Pflanzennährstoff zur Verfügung. Die Menge der Phosphate bestimmt den Umfang von Algen-Massenentwicklungen (Wasserblüten), denn alle anderen Nährstoffe sind im Überschuss vorhanden.

Die Algenentwicklung wird zusätzlich dadurch begünstigt, dass die Warnow zwischen Bützow und Rostock kaum Gefälle hat. Würde vom Oberlauf kein Wasser zufließen, liefe der Fluß zwischen Bützow und Rostock nicht leer, sondern würde zum langgestreckten Teich. Bei bisher üblichen Niederschlagsmengen verweilt das Wasser immerhin noch drei Tage, bis es vom nachströmenden Wasser in die Unterwarnow gedrückt wird. Drei Tage Aufenthaltszeit sind ideal für die Ausbildung von Wasserblüten!

Algenblüten würden die Filter im Wasserwerk hoffnungslos verstopfen und zugleich eine Menge unguter Stoffe ins Wasser entlassen. Geruchs- und auch Gesundheitsbeeinträchtigungen sind vorprogrammiert, denn so viel Aktivkohle kann Eurawasser gar nicht einsetzen, um die jetzige Trinkwasserqualität zu halten. Die Folgen sind zwangsläufig höhere Wasserpreise und zugleich für die vom Rostocker Wasserwerk versorgten Touristiker erhebliche Imageverluste. Und das Rostocker Bier könnte nach "Bio" schmecken...

Ganz nebenbei sind auch Fischsterben vorprogrammiert, denn durch Wasserblüten verschiebt sich der pH-Wert des Wassers ins stark alkalische. Es kommt zur Verätzung der Kiemen, die Fische können keinen Sauerstoff mehr aufnehmen (obwohl der vorhanden ist) und ersticken.

Das alles ist gesichertes Wissen, auch speziell für die Warnow in vielen Untersuchungsberichten dokumentiert. Allerdings wurden die beteiligten Institutionen und Universitäts-Institute nach der Wende "abgewickelt", es steht zu befürchten, dass man dabei auch die wissenschaftlichen Unterlagen zur Warnow vernichtete. Das für Wasserkörper allgemein gültige Wissen hingegen ist schlecht zu leugnen...

Vor rund fünf Jahren erschien folgender Leserbrief in der Schweriner Volkszeitung:

Personenschiffahrt auf der Warnow?

Die Bützower Zeitung berichtete unlängst, dass das Staatliche Amt für Umwelt und Natur (StAUN) Rostock Gelder aus der Agenda-21-Förderung über die Stadt Schwaan an die Universität Rostock ausreicht. Diese soll eine Studie über Möglichkeiten einer Personenschiffahrt auf der unteren Warnow erarbeiten.

Das macht fassungslos. Bekanntlich trinkt Rostock aus der Warnow. Der Fluss hat zwischen Bützow und Rostock kein Gefälle. Er verhält sich hier wie ein langgestreckter See und bietet dadurch den Algen optimale Entwicklungsbedingungen bis hin zu intensiven Wasserblüten. Die verstopfen im Wasserwerk nicht nur die Filter, sondern beeinträchtigen auch den Geschmack des Rohwassers und verursachen kostenintensive Maßnahmen, die wir in Rostock - Bevölkerung und Wirtschaft – über die Wasserpreise bezahlen müssen.

Würde der im Flussbett lagernde Schlamm aufgewirbelt und dadurch das im ruhenden Schlamm gebundene Phosphat wieder in Lösung gebracht, wären Wasserblüten in schwer vorstellbarem Ausmaß die Folge. Deshalb ist mit Ausnahme von kleinen Booten jeder Schiffsverkehr auf der Warnow verboten. Deshalb und völlig zu Recht legte auch der Warnow-Wasser- und Abwasserverband Beschwerde ein gegen die vom StAUN 2005 erteilte Ausnahmegenehmigung, anlässlich des Schwaaner Stadtjubiläums für nur zwei Tage eine Personenschiffahrt zwischen Rostock und Schwaan zu gestatten.

Nun soll es um Personenschiffahrt zwischen Bützow und Schwaan gehen. Als wenn das dort durch größere Schiffe freigesetzte Phosphat nicht auch in Form von Algenblüten an der Brauchwasserentnahmestelle des Rostocker Wasserwerkes ankäme! Bezeichnender Weise sollen in die Uni-Studie zwar die Unteren Naturschutzbehörden und die Abteilung Naturschutz des StAUN eingebunden werden, aber nicht die Wasserfachleute.

Der beauftragte Professor Riedel von der Universität muss das alles nicht wissen, denn zum einen kam er erst nach der Abwicklung diesbezüglicher Uni-Institute (und der Vernichtung wertvoller Forschungsergebnisse) nach Rostock und zum anderen ist er Landschaftsarchitekt.

Aber noch gibt es hierzulande genügend Fachleute, die dieses Wissen besitzen – unter anderem bei der Eurawasser und auch im StAUN Rostock selbst. Die sitzen allerdings nicht in dem von der Bützower Zeitung genannten Abteilung Naturschutz.

Anzumerken bleibt auch, dass die Finanzierung dieser Studie im Widerspruch zur Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie steht. Durch sie soll ein guter ökologischer Zustand der Warnow erreicht werden. Die Kriterien für einen guten ökologischen Zustand sind hart und auf keinen Fall durch vermeidbare Nährstoffbelastungen zu erreichen.

Vor allem aber ist Zukunftssicherung gemeint, wenn von Agenda-21-Zielen und deren Umsetzung die Rede ist. Es erscheint mir daher verantwortungslos, Agenda-21-Fördermittel für eine Studie zur Ermöglichung von Passagierschiffahrt auf der Warnow einzusetzen.

Friedrich Heidemann, Rostock

auch im „Rostocker Blitz“ vom 11.3.07

Wenn jetzt auch der Wasserversorger einer Personenschiffahrt auf der unteren Warnow zustimmt, dann ist schlimmes zu befürchten. Wohl zu lange sind die Wasserpreise in Rostock hinreichend stabil geblieben. Die durch eine intensivierte Befahrung der unteren Warnow zu erwartenden Wasserbeeinträchtigungen werden ein "willkommener" Anlass sein, um intensive Investitionen zu tätigen (bis hin zum Umbau des Ortsnetzes zwecks Bezug von Grundwasser aus der Kühlung) und in deren Gefolge die Wasserpreise ins Unzumutbare zu steigern. Wir werden hören und lesen, dass es zu den umfangreichen Investitionen "keine Alternative" gebe, denn man konnte ja nicht ahnen, dass die Niederschläge geringer würden (längere Verweildauer des Wassers) und die Temperaturen höher (noch intensivere Algenblüten, früher einsetzend und erst im Spätherbst abklingend).

Letztendlich stellt sich nur eine Frage: Wo bleibt die Verantwortung der zuständigen Fachbehörde und wie verträgt sich das Vorhaben mit der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie, die doch eine Verbesserung des ökologischen Zustandes der Wasserkörper bis hin zum Erreichen eins guten ökologischen Zustandes zum Ziel hat?

Ein kleiner Anhang: "Die Warnow gilt als eine der romantischsten Wasserstraßen in Nordostdeutschland" - das trifft ganz sicher auf andere Abschnitte zu, aber wohl kaum für die untere Warnow. Aber über Geschmack lässt sich streiten - urteilen Sie selbst. Die Fotos entstanden auf der "Jubiläumsfahrt" 2005. Das romantische Highlight, die alte Schwaaner Hubbrücke, gibt es nicht mehr (auch so eine Geschichte mit Beigeschmack...).

 
Posted by Dr. Günter Hering at 16:10
Edited on: Montag, Juni 04, 2012 17:49
Categories: Erlebnisangebote, Kulturlandschaft, warnow, Wasser, Abwasser, Regenwasser, Wasserrahmenrichtlinie