Energiewende ohne Bürger?

28. Juni 2012 | 21:58 Uhr | Von: Gabriel Kords





Gipfeltreffen: Minister Volker Schlotmann (3.v.l.) lotete auf vier Regionalkonferenzen gemeinsam mit Energieexperten die Chancen der erneuerbaren Energien in MV aus. Zum Abschluss hatt er gestern nach Schwerin geladen. Foto: Reinhard Klawitter

Energieminister Volker Schlotmann (SPD) macht ernst: In seinem neuen Energiekonzept soll stehen, wie die Landesregierung die Energiewende umsetzen will. Und Schlotmann setzt dabei auf Bürgerbeteiligung. Noch bevor das Ministerium überhaupt anfängt, das Konzept zu schreiben, sollen die Bürger sagen, was dort ihrer Meinung nach hineingehört. Auf den Konferenzen, die diese Woche in Neubrandenburg, Greifswald, Güstrow und gestern abschließend Schwerin stattfanden, erscheinen in erster Linie Verbandsmitglieder und Kommunalpolitiker, aber keine einfachen Bürger. Die kamen nicht. Und die waren auch nicht eingeladen. "Wirklich schade", findet das der Bü90/Grünen-Landtagsabgeordnete Johann-Georg Jaeger, selbst Mitglied im Energieausschuss und Teilnehmer an allen vier Konferenzen: "Denn die Idee, auf Bürgerbeteiligung zu setzen, ist gut. Aber mit solchen Konferenzen erreicht man das nicht."

Minister Schlotmann selbst sieht das naturgemäß anders. "Entscheidend ist, dass ich Bürgerbeteiligung will, und dass wir damit anfangen", sagt er. "Wir haben angefangen! Wir werden auch weitermachen! Man kann es noch besser machen, aber man muss es nicht schlechtreden." Aber auch sein Ministerium bestätigt, dass Einladungen nur an Kommunalpolitiker und Verbände verschickt wurden. Rund 600 Menschen kamen zu den vier Konferenzen.

Schlotmanns Mitarbeiter stellten auf den Konferenzen drängende Fragen. Zum Beispiel, wie mit Protesten gegen Windkraft- oder Biogasanlagen umzugehen ist oder wie sich erneuerbare Energien und Tourismus zusammenbringen lassen. "Problematisch ist aber, dass das Ministerium überhaupt keine Richtung vorgegeben hat", sagt Jaeger. "Es wäre besser gewesen, wenn die vorher ein paar Standpunkte formuliert hätten. Über die hätte man dann diskutieren können." Doch die hat das Ministerium offenbar selbst noch nicht. Das habe seinen Grund, sagt Schlotmann: "Wir wollen einen Teil unserer Gestaltungsmacht an die Bürger abgeben. Und das funktioniert auch", sagt er mit Verweis auf rege Diskussionen unter den Konferenz-Teilnehmern. Das seien aber alles nur Anzugträger, bemängelt der Greifswalder André Berndt, Mitglied der Linken: "Bürgerbeteiligung erreicht man nicht, wenn man sich in noblen Hotels trifft. Da stellt man sich besser auf die Marktplätze."

Doch gelingt das? Nicht nur von der Opposition gibt es schon länger Kritik am langsamen Tempo, mit dem Schlotmanns Ministerium das Thema Energiewende, immerhin ein Haupt-Wahlkampfthema von 2011, bisher anging. Auch innerhalb der Koalition gibt es kritische Stimmen. "Schlotmann ist bisher noch nicht so stark aktiv geworden, wie wir es uns gewünscht hätten", sagt ein CDU-Abgeordneter. CDU-Fraktionsvize Wolfgang Waldmüller formuliert es diplomatischer. Seine Fraktion erwarte von Schlotmann eine Vorlage für ein weiterentwickeltes Energiekonzept. Im Mittelpunkt müssten Versorgungssicherheit und bezahlbare Preise stehen.

Doch Schlotmann will nichts überstürzen. Im September soll es eine weitere Konferenz auf Landesebene geben, dann soll ein Landesenergierat aus Experten gebildet werden. Bis dem Kabinett ein Entwurf für das Energiekonzept vorliegt, könne es noch ein Jahr dauern. Die Bürger will das Ministerium jedenfalls beteiligen. In einigen Wochen soll ein Online-Portal starten, auf dem sich jeder an der Debatte beteiligen kann.

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Leserkommentare

WOLF POLSKI 29.06.2012 07:10

Energiewende ohne Bürger?

Natürlich nicht. Einer muß den ganzen Unsinn ja zahlen.


HOMO KRITIKUS 29.06.2012 08:22

"Experten"

Also wenn ich mir das Foto anschaue, fällt es mir schwer, das Wort Experten auszusprechen. Ganz links z. B. ... Herr Dipl.-Ing. M. Wollensack, seines Zeichens verantwortlicher Architekt für den Foyer-Neubau des Theaters in Wismar. Abgesehen von den simplen "Markenzeichen" des M.W. (roter quadratischer Eingangs-Portikus, der nebenbei bemerkt schon ziemlich bröcklich ist und von jedem 13 jährigen, dem die Funktion von Lineal und Dreieck bekannt ist entworfen werden kann, sowie einfallslosem Sichtbeton) ist es seinem architektonischem "Fachwissen" zu verdanken, dass man dieses Foyer in den Sommermonaten nicht nutzen kann, weil durch großflächig geplante und realisierte Glasflächen der Energieeintrag in das Gebäude durch Sonneneinstrahlung derartig hoch ist, dass dort Backofen-Feeling aufkommt, so man sich denn dort länger als 5min aufhält. Und diese "Experten" sollen nun also die Energiewende bewerkstelligen? Ich befürchte, das wird eine Wende um 360° werden...


ARTHUR MOGGER 29.06.2012 11:28

Auf den Punkt gebracht

Wolf Polski hat es auf den Punkt gebracht!
Und zur Geschwindigkeit fragt man nicht unbedingt Volker Schlotmann. Der Binnenschiffer wird bei seinen gewöhnten Geschwindigkeiten von maximal 10 Kmh schwindelig, wenn es um Eile geht.


GüNTER HERING 30.06.2012 19:17

Unpassende Ministerschelte - wen stört der basisdemokratische Ansatz?

„Auf den Konferenzen ... erscheinen in erster Linie Verbandsmitglieder und Kommunalpolitiker, aber keine einfachen Bürger. Die kamen nicht. Und die waren auch nicht eingeladen.“ Ministerschelte mittels Unwahrheiten: Wer auf die Internetseite der Landesregierung geht, findet vier Pressemitteilungen des Ministeriums (63/12 bis 66/12) und zusätzlich eine Ankündigung der vier Veranstaltungen, in der es u.a. heißt: „Alle Interessierten sind herzlich eingeladen, bei den Regionalkonferenzen Ihre Ideen, Vorstellungen oder auch Bedenken zu äußern.“ ALLE! (zum Nachlesen: http://www.regierung-mv.de/cms2/Regierungsportal_prod/Regierungsportal/de/vm/_Aktuelles__Blickpunkte/Regionalkonferenzen_zu_erneuerbaren_Energien/index.jsp).

Schön wäre es gewesen, die SVZ hätte IM VORFELD der Veranstaltungen unter Bezug auf die o.g. Pressemitteilungen über die Termine informiert statt im Nachhinein den Minister zu schelten. Mit Herrn Schlotmann bin auch ich manchmal in großem Dissens, aber sein basisdemokratischer energiepolitischer Ansatz verdient höchsten Respekt.

„"Es wäre besser gewesen, wenn die [gemeint sind die Mitarbeiter des Energieministeriums, Hg.] vorher ein paar Standpunkte formuliert hätten. Über die hätte man dann diskutieren können.“ Sagt Herr Jäger. Besser als basisnahe, eigene Positionen einbringen? Nur dann, wenn man keine eigenen, konstruktiven Standpunkte hat, aber gerne herumkritteln mag. Dieser Art Diskutanten hat Schlotmann in der ersten Runde den Weg versperrt.

Also ich war da, einfach so als Bürger. Und fand den Ansatz gut, wenngleich die Zeit (2 ½ Stunden) zu kurz war und dadurch einiges an konstruktiven Beiträgen verloren ging. Aber dafür soll es ja eine Webseite für weiterführende Diskussionen geben – und im Herbst eine zusammenfassende Energiekonferenz. Wer sich für die Energieproblematik in unserem Land interessiert und mitreden will, der findet die entsprechenden Informationen mindestens auf der Regierungswebseite.


Quelle: Schweriner Volkszeitung online, 28. Juni 2012